Interview - Tom Wlaschiha GAME ON!

Interview - Tom Wlaschiha GAME ON!

Er gehört zu den wenigen deutschen Schauspielern, die es in Hollywood geschafft haben. Durch die Rolle des Jaqen H’ghar in der populären TV-Serie “Game Of Thrones“ wurde Thomas „Tom“ Wlaschiha, 43, auch international bekannt. Im Exklusiv-Interview mit RIZE erzählt Tom von seinen Anfängen am Theater, der Herkunft seines Namens, sein Jahr in den USA und Freundschaften im Filmbusiness...

FullService360: SIE SPIELEN IN “GAME OF THRONES“, EINER WELTWEIT ERFOLGREICHEN HOLLYWOOD- PRODUKTION. IST DIE AUSSPRACHE

IHRES NAMENS EINE HERAUSFORDERUNG FÜR AMERIKANER?

Tom Wlaschiha: Eigentlich nicht. Man kann ihn auch gar nicht so falsch aussprechen. Das WL am Anfang ist ein bisschen verwirrend. Ansonsten kommt es immer gerade raus.

WOHER STAMMT EIGENTLICH DER NAME WLASCHIHA?

Aus Tschechien. Vor etwa 150 Jahren sind meine Vorfahren nach Deutschland ausgewandert. Danach wurde die Schreibweise ein paar Mal verändert.

SPRECHEN SIE TSCHECHISCH?

Überhaupt nicht, obwohl ich in Bad Schandau aufgewachsen bin, das direkt an der tschechischen Grenze liegt. Die letzten drei Jahre habe ich öfter in Prag gedreht. Ich verstehe viel, wenn ich lese. Aber das kommt daher, weil ich in der Schule Russisch gelernt habe. Da kann man einiges ableiten.

HABEN SIE JEMALS ÜBER EINEN KÜNSTLERNAMEN NACHGEDACHT?

Meine Agentin hat mir das ganz am Anfang vor 20 Jahren vorgeschlagen. Ich fand die Idee aber blöd. Der Name ist einzigartig und wer ihn sich merken will, der merkt ihn sich schon.

WANN HATTEN SIE ERSTMALS DEN WUNSCH, SCHAUSPIELER ZU WERDEN?

So mit fünfzehn Jahren. Ich wollte schon immer was Kreatives machen, wusste allerdings nicht genau, ob es Musik oder Theater werden würde. Schauspiel erschien mir dann doch interessanter. Ich habe Klavier gespielt und die Aussicht, mein Leben lang in einem Zimmer verbringen zu müssen, um acht Stunden zu üben, fand ich dann doch nicht so prickelnd.

WIE WURDE DAMALS IHR INTERESSE AN DER SCHAUSPIELEREI GEWECKT?

Ein Schlüsselerlebnis gab es eigentlich nicht. Ich bin in einer Kleinstadt aufgewachsen. Wir waren viel in der Oper, weil mein Onkel ein sehr erfolgreicher Sänger war. Er hat mich natürlich auch inspiriert, weil ich sah, dass man es mit einer künstlerischen Karriere schaffen kann. Es ist nicht unbedingt eine brotlose Kunst.

WIE HABEN DENN IHRE ELTERN DARAUF REAGIERT, ALS SIE IHNEN ERÖFFNETEN, DASS SIE SCHAUSPIELER WERDEN?

Man sagt ja nicht ‚Ich werde Schauspieler!‘ (lacht) Nicht, dass ich sie gefragt hätte – ich hatte sie eher vor vollendete Tatsachen gestellt. Ich hatte mich von mir aus an der Schauspielschule beworben und es ihnen erst gesagt, als es geklappt hatte. Sie waren dann richtig cool damit. Sicher auch wegen meinem Onkel, dem Sänger, der gezeigt hat, dass man eine gute Karriere haben kann. Deswegen gab es von meinen Eltern relativ wenige Einwände.

WIE WÜRDEN SIE IHRE JUGEND BESCHREIBEN?

Mit 15 bewarb ich mich das erste Mal an der Schauspielschule in Leipzig. Da gab es Kurse für Jugendliche mit Interesse. So hatte man die Möglichkeit gehabt, zu sehen, wie der Schulalltag ablief und man konnte für sich selbst entscheiden, ob es das richtige für einen ist. Es wurden auch Rollen vorbereitet, um uns auf die eigentliche Aufnahmeprüfung vorzubereiten. Nach dem Abi ging ich ein Jahr in die USA. Ich ging dort in die zwölfte Klasse an der Highschool und wohnte bei einer

Gastfamilie.

HABEN SIE NOCH KONTAKT ZU IHR?

Ja, zu meiner Gastmutter.

WIE FINDET SIE ES, DASS SIE BEI EINER DER ERFOLGREICHSTEN SERIEN ALLER ZEITEN MITSPIELEN?

Ich glaube, sie findet das gut.

WAS HABEN SIE IN DEN USA GELERNT?

Wenn man in dem Alter ins Ausland geht, lernt man, unabhängig und selbständig zu sein. Meine Eltern hatten zur damaliger Zeit nicht einmal ein Telefon. Wir haben ein Jahr nicht miteinander gesprochen. Ich war tatsächlich ein Jahr weg. Emails gab es in dem Sinne auch noch nicht. Man ist also sehr auf sich gestellt. Das hat jetzt nicht wirklich was mit den USA zu tun. Das wäre in jedem anderen Land auch so gewesen. Was mich am meisten in den USA beeindruckt hat, sind die scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten und die Idee, dass jeder alles werden kann. Ich weiß, das klingt sehr klischeehaft, ist aber so. In den USA gibt es schon länger das, was sich erst jetzt bei uns so langsam durchsetzt: dass man in seinem Leben mehrere

Sachen macht. Man lernt nicht nur einen Beruf, den man bis zur Rente durchzieht, sondern man probiert sich in verschiedenen Richtungen aus und wird flexibler. Wenn ich was in den USA gelernt habe, dann ist es risikofreudiger zu sein.

GAB ES FÜR SIE JEMALS EINE BERUFLICHE ALTERNATIVE?

Einen richtigen Plan B gab es nicht. Was mich noch interessiert hätte, wäre Journalismus gewesen. Das war im Osten dahingehend schwierig, weil dieser Beruf zu jener Zeit mit einer Parteikarriere verbunden gewesen wäre. Daher kam das nicht in Frage. Mein Interesse galt dem Auslandsjournalismus, da ich mich sehr für Sprachen interessiere.

WIE KAMEN SIE AN IHRE ERSTE FILM-ROLLE?

Ich war am Theater in Dresden und nebenan wurde die Kinderserie „Mama ist unmöglich“ gedreht. Ich glaube, das war meine erste Filmrolle. Oder es könnte auch eine Rolle in dem allerersten „Stubbe“-Film mit Wolfgang Stumph gewesen sein, der auch aus Dresden ist und mich aus dem Theater kannte. Daher hatte er mir eine kleine Rolle angeboten.

WAS LIEGT IHNEN MEHR - THEATER SPIELEN ODER FILME DREHEN?

Kann man so nicht sagen. Das sind zwei ganz unterschiedliche Medien und Spieltechniken. Beides hat seinen Reiz. Ich mag Theater unheimlich gern. Nach der Schauspielschule war ich fünf Jahre lang fest am Theater. Ich habe danach weiter als Gast bei Produktionen weitergemacht, als ich schon Filme gedreht habe. Theater ist natürlich ein einmaliges Erlebnis: Lampenfieber, der direkte Kontakt mit dem Publikum, eine Rolle von Anfang bis Ende durchspielen zu können. Andererseits ist es auch sehr flüchtig – ein halbes Jahr nach der Vorstellung spricht kein Mensch mehr darüber.

ERINNERN SIE SICH AN EINE GEFÄHRLICHE SITUATION BEIM DREHEN?

Eigentlich gab es die nicht. Es gab sicherlich einige Situationen, die ich selbst als gefährlich empfunden habe. Ich musste mich mal bei einer Produktion aus einem fliegenden Hubschrauber an einem Stahlseil ‚abwinschen’ – so heißt das in der Fachsprache. Da war mir ein bisschen unwohl dabei.

WIE BEREITET MAN SICH DARAUF VOR?

Gar nicht. (lacht) Man hofft einfach darauf, dass die Leute im Film-Team wissen, was sie tun!

IHRE MEINUNG ZU HOLLYWOOD? IST ES IHR ZIEL, WEITERHIN IN DEN USA ZU DREHEN?

Sowas kann man als Schauspieler nicht planen. Dinge passieren oder eben nicht. Was man machen kann, ist sich verfügbar zu machen und das Möglichste tun, um gesehen zu werden. Einen geraden Weg gibt es allerdings nicht. Es hat ganz viel mit Zufällen und Glück zu tun. Aber gerade auch für deutsche Schauspieler ist es natürlich reizvoll, in amerikanischen Produktionen mitzuspielen, weil man da die Möglichkeit hat, mit den Besten ihres Fachs zusammen zu arbeiten. Sehr oft sind die Amerikaner auch Trendsetter, da sie neue Formate ausprobieren.

SIE WIRKTEN AUCH IM FILM „MÜNCHEN“ MIT. HABEN SIE DAMALS TATSÄCHLICH IN MÜNCHEN GEDREHT? WIE FINDEN SIE DIE STADT?

Da spielte ich nur eine kleine Rolle und drehte einen Tag lang in Fürstenfeldbruck. Ansonsten bin ich sehr oft in München. Da zu sein, ist für mich wie ein Urlaub, weil es von der Atmosphäre so komplett anders ist als Berlin. Es ist ein sehr guter Gegenpol. Ich bin sehr gerne in München, vor allem im Sommer, wenn alles draußen stattfindet. Man ist in den Biergärten oder fährt in die Berge... Es ist einfach eine tolle Stadt mit vielen Möglichkeiten.

INWIEFERN HAT DER ERFOLG VON „GAME OF THRONES“ IHR LEBEN VERÄNDERT? ODER HABEN SIE SICH DADURCH VERÄNDERT?

Ich glaube nicht, dass ich mich durch diese Rolle verändert habe, weil ich den Beruf seit 20 Jahren mache und genau weiß, dass es immer hoch und runter gehen kann. Natürlich freue ich mich sehr über diesen Erfolg. Aber ich empfinde ihn nicht als Garantie, dass es immer so weitergehen wird. Es hat sich allerdings dahingehend verändert, dass man auf vielen Listen von Castern und Produzenten landet, wenn man in solch einem erfolgreichen Format mitgespielt hat. Das ist natürlich für mich persönlich toll, weil dadurch mein Name und meine Arbeit bekannter werden. Ich merke schon die Veränderung, da ich mehr Angebote bekomme.

GIBT ES FREUNDSCHAFT UNTER KOLLEGEN ODER EXISTIERT EHER EIN GROSSER KONKURRENZKAMPF?

Ein Konkurrenzkampf ist es nicht. Und mit Freundschaften ist es wie im richtigen Leben. Es gibt Kollegen, mit denen man sich versteht und auch nach dem Dreh im Kontakt bleibt, woraus sich auch Freundschaften entwickeln können. Gerade das Filmgeschäft ist ein sehr einsames Business, weil man tagsüber am Set ist und abends meist immer im Hotel sitzt.

GIBT ES REGISSEURE ODER SCHAUSPIELER, MIT DENEN SIE GERN MAL ARBEITEN WÜRDEN?

Da gibt es ganz viele! Und es sind nicht die, die man unbedingt kennt. Es gibt großartige Schauspieler, die nur am Theater arbeiten, mit denen ich zusammen was machen würde. Konkret würde ich zwei hervorragende Regisseure aus Europa nennen, mit denen ich zusammen arbeiten würde. Das wären Michael Haneke und Emir Kusturica.

IHRE FÜNF LIEBLINGSFILME WÜRDEN UNS INTERESSIEREN…

“Arizona Dream“ mit Johnny Depp, “Ice Stone“, “Vertigo - Aus dem Reich der Toten“ von Alfred Hitchcock, “La Mala Education“ von Pedro Almodovar und “Pulp Fiction“ von Tarantino.

HABEN SIE HOBBYS?

Schlafen! Im Moment habe ich relativ wenig freie Zeit. Wie bereits erwähnt, habe ich als Kind Klavierspielen gelernt. Daheim habe ich eines stehen und wenn darauf spiele, ist eine schöne Art für mich runterzukommen. Leider komme ich in letzter Zeit sehr wenig dazu. Ein weiteres Hobby ist Lesen. Also nichts Ungewöhnliches.

WAREN ODER SIND SIE AKTIVER SPORTLER? WIE HALTEN SIE SICH FIT?

Ich bin eher faul. Ich hasse es, mich körperlich anzustrengen. Ich gehe auch nicht joggen. Ab und zu gehe ich ins Fitnessstudio. Aber nur weil ich denke, es müsste mal wieder sein. Es ist eher eine gute Idee, als dass es mir Spaß machen würde.

WAS WÜRDEN SIE ALS IHRE GRÖSSTE ERRUNGENSCHAFT BEZEICHNEN?

Eine Errungenschaft impliziert immer, dass man was verdient hätte. Mein tolles Auto. (lacht) Was käuflich ist, ist natürlich keine Errungenschaft. Meine größte Errungenschaft ist wahrscheinlich, dass ich es geschafft habe, 20 Jahre lang in meinem Beruf arbeiten zu können, interessante Leute zu treffen und eigentlich das machen zu dürfen, was ich wirklich machen möchte.

VERRATEN SIE UNS EIN GEHEIMNIS ÜBER TOM WLASCHIHA?

Es gibt keine Geheimnisse…

DANN SIND SIE ALSO NUR ALS JAQEN H’GHAR in “GAME OF THRONES“ GEHEIMNISVOLL?

Ja, das ist ja auch meine Rolle… (lacht)

Interview: Mirella Sidro i.A.v. Fullservice360 / VÖ: Rize Magazin / VÖ: ADAC Magazin
Foto: Amelie Meseke

Back to blog