High-Tech-Beleuchtung

High-Tech-Beleuchtung

Plötzlich ist es da: Wie aus dem Nichts schießt das Reh auf die Fahrbahn und bleibt im Scheinwerferkegel stehen. Der Fahrer zögert eine Schrecksekunde, dann steigt er auf die Bremse. Gerade noch rechtzeitig: Nur wenige Meter vor dem Tier kommt sein Wagen schlingernd zum Stehen. Solche bösen Überraschungen könnten in Zukunft seltener werden, zumindest für Fahrer eines BMW i8. Denn der Hybridsportwagen aus München ist mit einer neuen Generation von Scheinwerfern ausgerüstet, die wesentlich weiter strahlen als alte. Statt nur 300 Meter leuchten sie ganze 600 Meter der vorausliegenden Fahrbahn aus. Möglich wird das durch innovative Technologie: Laser-Fernlicht. Extrem dichte Lichtstrahlen schießen in die Dunkelheit hinaus und machen Hindernisse deutlich früher sichtbar als herkömmliche LED-Scheinwerfer. Der Fahrer gewinnt so wertvolle Reaktionszeit: Bei Tempo 100 zum Beispiel würde er das Reh ganze elf Sekunden früher erkennen.

Kernstück des neuen Scheinwerfers sind drei Laserdioden, die hauchdünne, bläuliche Lichtstrahlen aussenden (die gleiche Technik kommt in Laserpointern zum Einsatz). Mit diesen Lichtpunkten könnte man allerdings noch keine Straße ausleuchten. Deshalb werden die Strahlen durch eine dünne Phosphorplatte geleitet. Dabei entsteht ein breiter Kegel weißen Lichts, der die Fläche vor dem Fahrzeug taghell erscheinen lässt. Und zwar nur die. Denn intelligente Technik sorgt dafür, dass der Gegenverkehr niemals geblendet wird. Kameras an Bord registrieren, wenn sich ein Fahrzeug nähert, und eine ausgeklügelte Optik lenkt den Lichtkegel so, dass der entgegenkommenden Verkehr immer im Laserschatten fährt. „Das ist so, als würde man das Licht einer Kerze mit einem Spiegel reflektieren“, erklärt Thomas Hausmann, Leiter der Vorentwicklung Lichttechnik bei BMW.

Laser-Scheinwerfer haben nicht nur eine größere Reichweite, sondern bieten viele Vorteile: Zum einen sind die verwendeten Dioden nur so groß wie ein Salzkorn, was den Ingenieuren völlig neue Möglichkeiten bei der Gestaltung der Beleuchtungsanlage bietet. Zum anderen verbrauchen Laserscheinwerfer im Vergleich zu derzeit üblichen LED-Modellen ein Drittel weniger Strom. Um den Energieverbrauch zu optimieren, kombiniert BMW herkömmliche und neue Technik zu einem Hybrid-Scheinwerfer: Bis Tempo 70 sorgen LEDs für die perfekte Ausleuchtung der Straße, erst darüber schaltet sich sanft der Laser zu. Für das menschliche Auge sind die Strahlen natürlich nicht gefährlich.

Geboren wurde die High-Tech-Beleuchtung übrigens – ganz bayerisch – in einem Biergarten. „Wir haben nach der Arbeit zusammengesessen und darüber nachgedacht, wie man den perfekten Scheinwerfer gestalten könnte“, erinnert sich Lichtexperte Hausmann. Schnell fällt in der Runde das Wort „Laser“, schließlich kommt keine Lichtquelle so nah an die Helligkeit der Sonne heran. „Und wir wollen ja die Nacht zum Tag machen“, so Hausmann. Noch an Ort und Stelle zeichnen die Ingenieure auf einer Serviette den ersten Entwurf. Das war 2009. Fünf Jahre später ist die Technik marktreif und wird zum ersten Mal im Hybridsportwagen BMW i8 verbaut. Seit letztem Jahr ist sie außerdem als Sonderausstattung im BMW 7er verfügbar. „Laserlicht wird überall Einzug halten“, ist Entwicklungsleiter Hausmann überzeugt.

Dafür muss die Technik allerdings noch in einem Punkt verbessert werden: dem Preis. 1.200 Euro zusätzlich kostet das Laser-Fernlicht derzeit für den BMW 7er. Das liegt vor allem an den teuren Laserdioden. Weil sich nur wenige Hersteller weltweit auf die Produktion der Silizium-Winzlinge verstehen, sind die Preise entsprechend hoch. Sobald sich Laser als Lichtquelle im Auto verbreitet, dürfte die Zahl der Produzenten jedoch steigen. Experte Hausmann ist optimistisch: „Wir gehen davon aus, dass die Dioden-Preise sinken.“

In Zukunft wird Laser übrigens nicht nur für gute Sicht bei Nacht sorgen. Viele Zusatzfunktionen sind mithilfe der Technik möglich. Auf der amerikanischen Elektronikmesse CES hat BMW im letzten Jahr zum Beispiel einen Scheinwerfer gezeigt, der zwei helle Laserstreifen vor das Auto projiziert. Sie liegen exakt so weit auseinander, wie das Fahrzeug breit ist. Damit beantwortet sich die bange Frage „Komme ich in diese enge Parklücke?“ quasi von selbst. Und es geht noch futuristischer: Theoretisch lässt sich das Laserlicht auch mit Infrarotkameras kombinieren, die ständig die Umgebung des Autos abtasten. Sie würden das Reh schon bemerken, bevor es überhaupt die Fahrbahn erreicht hat. Dann richtet der Laserscheinwerfer einen hellen Spot auf das Tier um den Fahrer zu warnen. Unangenehme Begegnungen auf nächtlicher Landstraße könnten damit endgültig der Vergangenheit angehören.

Autor: Constantin Gillies
Foto: fullservice360.com

Back to blog